Schul-Tampons in Falkensee: Hygieneartikelautomat für das Lise-Meitner-Gymnasium!

Schottland gibt seit 2020 kostenlose Tampons und Binden in öffentlichen Gebäuden aus. In Kanada, Irland und Kenia werden keine Steuern auf diese Hygieneprodukte erhoben. Und wie sieht es in Deutschland aus? Hier bekommt nun das Falkenseer Lise-Meitner-Gymnasium einen allerersten Hygieneartikel-Automaten. Wird er gut angenommen, könnten weitere Schulen folgen.

Die meisten Mädchen bekommen ihre Periode zwischen der 6. und der 10. Klasse. Da sich die Menstruation über mehrere Tage erstreckt, werden sie zwangsläufig auch in der Schule mit diesem Thema konfrontiert. Gerade am Anfang fehlt oft noch die Erfahrung, um sich in angemesserer Weise mit Tampons oder Binden zu bevorraten. Was macht man dann aber im Ernstfall? Die beste Freundin fragen? Im Schulsekretariat um Hilfe bitten?

Der Jugendbeirat der Stadt Falkensee wünscht sich, dass ein kostenloser Hygieneartikel-Automat in den Schulen aufgestellt wird.

Anaïs von Fircks: „Es gibt bereits Kommunen wie Eimsbüttel oder Wasserburg in Deutschland, die kostenlose Hy­gieneprodukte in öffentlichen Gebäuden wie dem Rathaus oder Schulen zur Verfügung stellen. Auch Falkensee könnte zu diesen progressiven Kommunen gehören.“

Toni Kissing vom Jugendbeirat: „Eine Studie aus Großbritannien zeigt, dass sich 48 Prozent der Mädchen zwischen 14 und 21 Jahren für ihre Periode schämen. Ein Hygienemittelspender geht da in die richtige Richtung. Der Gang ins Schulsekretariat wäre vielen Mädchen zu peinlich.“

Clara Weiger, Vertretung des Jugendbeirats in der SVV: „Toilettenpapier wird als selbstverständlich wahrgenommen und kostenlos in öffentlichen Gebäuden zur Verfügung gestellt. Warum also nicht auch Binden, Tampons und andere Menstruationsartikel?“

Kann aus dieser Idee tatsächlich eine Handlungsaufforderung werden? Die Fraktion „IRGENDWAS! – die Jugendliste feat. PPPTHBH“ brachte einen entsprechenden Antrag in den Hauptausschuss der Falkenseer SVV ein. Hier wurde er aber abgelehnt und deswegen in der 13. ordentlichen Tagung der Stadtverordnetenversammlung Falkensee am 27. Januar 2021 noch einmal neu eingereicht. Im Antrag hieß es: „Der Zugang zu Tampons und Binden muss allen Frauen freistehen, egal, welchen Alters und welcher sozialen Herkunft. Die Zugänglichkeit für Teenager sollte dabei zuvorderst im Fokus stehen, da diese Altersgruppe im Normalfall über kein eigenes Einkommen verfügt. Erfahrungswerte sagen zudem, dass eine große Hemmschwelle vorhanden ist, wenn Hygieneartikel bspw. in Sekretariaten oder Schulstationen bereitgehalten werden. Um diese zu umgehen, sollten kostenfrei nutzbare Automaten an Falkenseer Schulen aufgestellt werden. Mit zunächst einem Gerät am Lise-Meitner-Gymnasium – dessen Schulleitung den vorliegenden Antrag unterstützt – soll die zuständige Verwaltungseinheit (…) die Annahme des Angebots (…) nach einem Jahr evaluieren.“

Das Thema ist anscheinend keine Seifenblase, denn die Wogen schlagen hoch. Und es gibt viele Fürsprecher. Lina Hasselbach ist Schülersprecherin am Lise-Meitner-Gymnasium. Sie sagt: „Dieser Antrag ist in der Schülervertretung breit diskutiert worden – mit eindeutigem Ergebnis: Wir sprechen uns deutlich für die Annahme eines solchen Automaten für Damenhygiene aus. Vor allem jüngere Schülerinnen geraten auf dem Weg zum Erwachsenwerden immer wieder in die Situation, dass sich plötzlich während der Unterrichtszeit ein Bedarf entwickelt, auf den sie nicht vorbereitet sind. Die Tatsache, dass dieses Thema für heranwachsende Frauen tabuisiert ist, halten wir für einen der Gründe, warum über diese Notlagen keiner spricht. In der Folge führen diese für die Betroffenen peinlichen Situationen regelmäßig zum Abbruch der Unterrichtsteilnahme, um sich außerhalb der Schule mit entsprechenden Artikeln zu versorgen. Das müsste nicht sein. Ein einfaches Gegenmittel wäre die Aufstellung eines Automaten mit passendem Sortiment.“

Auf den möglichen Vorwurf, dass sich dann die Mädchen mit entsprechenden Hygieneartikeln auf Kosten der Allgemeinheit bevorraten würden, sagt Lina Hasselbach: „In den letzten sechs Jahren meiner Schulzeit am LMG ist mir kein einziger Fall bekannt geworden, dass Schüler oder Lehrer größere Mengen an Seife, Handtüchern, Toilettenpapier oder gar Fußmatten aus dem LMG entfernt hätten.“

Auch Jonas Treptau, stellvertretender Schülersprecher des Lise-Meitner-Gymnasiums, befürwortet den neuen Automaten: „Viele Lehrerinnen sind bereits auf uns zugekommen und haben davon berichtet, dass sie von ihren jüngeren Schülerinnen um Hilfe gebeten wurden, weil sie ihre Periode bekommen haben und keine entsprechenden Produkte bei sich trugen. Die Bewilligung dieses Antrages würde das Problem lösen. Was würden Sie tun, wenn sich Ihre eigene 11-jährige Tochter vor Scham in der Toilettenkabine einschließt, weil sie zum ersten Mal ihre Periode bekommen hat und weder Tampons noch Binden bei sich trägt?“

Doris Limbach ist Lehrerin am Lise-Meitner-Gymnasium und unterstützt das Ansinnen der Schüler: „Schule vermittelt Wissen, ist aber vor allem der Ort, an dem Kinder und Jugendliche Autonomie erleben und einüben. Wir Lehrkräfte möchten unsere Schüler und Schülerinnen dabei begleiten, sich selbstständig und selbstbewusst zu entwickeln, gleichgültig, welches Geschlecht sie haben. Dass Mädchen und junge Frauen im Jahre 2021 noch verdruckst die beste Freundin oder das Sekretariat um Binden oder Tampons bitten müssen, ist nicht nur unmodern, sondern ein Zeichen fehlender Autonomie. Deshalb begrüße und unterstütze ich die Initiative sehr und hoffe, dass möglichst bald jedes Mädchen und jede Frau an unserer Schule Zugriff auf Artikel der Monatshygiene hat: kostenlos, öffentlich und jederzeit.“

Ein Modellversuch am Falkenseer LMG würde auch von den anderen Schulen interessiert begleitet werden. Nele Peters ist Schulsprecherin am Vicco-von-Bülow-Gymnasium in Falkensee: „Als Bildungseinrichtung müsste es für die Schulen eigentlich Priorität sein, dass sich die Schüler und Schülerinnen im Schulalltag wohlfühlen und so auch effizient lernen und am Unterricht teilnehmen. Nicht nur am Anfang, sondern auch nach Jahren der Menstruation kann es immer wieder zu Schwankungen des Hormonhaushaltes kommen. Es kann also sein, dass man seine Periode mal nicht drei bis vier Tage im Monat hat, sondern drei Wochen lang, was in Kombination mit dem Schulalltag eine immense Belastung ist. Auch kann es sein, dass die Menstruation unerwartet und sehr stark einsetzt, was dazu führt, dass man den Tampon nicht alle zwei Stunden, sondern alle 30 Minuten wechseln muss. Aus diesem Grund kann man mal drei Tampons zu wenig dabei haben, um einen Schultag während der Periode zu überstehen. Genau dies sind Situationen, in denen sich Schülerinnen Tag für Tag befinden. Deshalb haben sich am Vicco-von-Bülow-Gymnasium 27 von 28 Schülervertretern und Vertreterinnen in Absprache mit ihren Klassen für die Priorität eines Hygieneartikelautomaten ausgesprochen. Das Thema ist also nicht nur für die Schüler des LMGs brisant.“

In der SVV trugen die Schülersprecher ihre Beobachtungen vor, übten aber auch deutlichen Druck aus. So sagten sie, dass es unverantwortlich sei, dem Antrag nicht zuzustimmen. Das konnte Bürgermeister Heiko Müller so nicht auf sich sitzen lassen: „Es ist nicht richtig, dass es unverantwortlich sei, so einen Automaten nicht zu haben. Er ist eine gute Einrichtung, aber keine Voraussetzung für einen funktionierenden Schulbetrieb.“

Am Ende bekamen die Schüler trotzdem ihren Wunsch erfüllt. Mit sieben Gegenstimmen und drei Enthaltungen wurde der Antrag angenommen. Das bedeutet, dass nun 2.000 Euro eingesetzt werden, um einen Hygieneartikel-Automaten an geeigneter Stelle im Lise-Meitner-Gymnasium aufzustellen und ein Jahr regelmäßig mit Hygieneartikeln zu befüllen. Anschließend sollen die Erfahrungen diskutiert und ausgewertet werden, um so den Weg zu weiteren Automaten auch an den anderen Schulen zu ebnen. (Text/Fotos: CS)

Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 180 (3/2021).