Artikel bei ‚DW‘ In Schottland sind Tampons bald kostenlos
Mit dem einstimmigen Beschluss, kostenlos Binden, Tampons und Menstruationstassen an Frauen und Mädchen abzugeben, schreibt das Parlament in Edinburgh am Dienstag Geschichte.
„Wir sind uns alle einig, dass sich niemand Sorgen machen sollte, woher die nächsten Tampons kommen“, sagte die für den Gesetzentwurf verantwortliche Labour-Abgeordnete Monica Lennon. Schottlands Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon bezeichnete das Votum als „wichtige Politik für Mädchen und Frauen“.
Nun soll ein System erarbeitet werden, das jeder Frau und jedem Mädchen den Zugang zu Tampons, Menstruationstassen und Binden ermöglicht. An Schulen und Universitäten werden die Produkte bereits seit 2019 kostenlos abgegeben.
„Das ist ein wegweisender Vorstoß des schottischen Parlaments und ein großartiges Beispiel für Gleichberechtigung“, sagt Maike Röttger, Geschäftsführerin von der Kinderhilfsorganisation „Plan International“ Deutschland, der DW. „Ich würde mir wünschen, dass das auch andere Länder aufgreifen, es muss einfach Schule machen.“
Alte Zeitungen statt Tampons
Mit dem Gesetzesentwurf gilt Schottland als Vorreiter gegen die sogenannte Periodenarmut. Damit ist der oftmals schwierige Zugang zu Monatsartikeln für Frauen und Mädchen mit geringem Einkommen gemeint, die sich die Produkte nicht leisten können. In ihrer Not greifen sie zu Stofflappen, Klopapier oder alten Zeitungen – auch im reichen Europa.
Laut einer Studie der Kinderhilfsorganisation „Plan International“ von 2017 kann sich in Großbritannien jedes zehnte Mädchen keine Binden oder Tampons leisten. Rund 14 Prozent basteln sich aus Kostengründen ihre Monatsartikel selbst. Für die Untersuchung wurden rund 1.000 weibliche Teenager befragt. Zuvor hatten Medien darüber berichtet, dass einige Mädchen an „ihren Tagen“ nicht zur Schule gingen.
Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen geht davon aus, dass dieser Anteil in vielen Entwicklungsländern weitaus höher liegt. In Indien haben laut der Nichtregierungsorganisation Andheri Hilfe lediglich zwölf Prozent der Mädchen und Frauen Zugang zu Monatsprodukten, weil sie sich Binden und Tampons nicht leisten können – oder sich schämen, sie zu kaufen. Viele Mädchen brechen die Schulbildung deshalb nach Einsetzen der Periode ab.
Isolation wegen der Periode: Diese junge Frau in Nepal bereit ihr Bett in einem seperatem Haus vor
„Es hat aber auch gesundheitliche Auswirkungen, weil die Mädchen mit allen Mitteln versuchen, Binden und Tampons irgendwie zu ersetzen und es dann auch zu Entzündungen im Unterleib kommen kann“, sagt Röttger. Immer mehr Hilfsorganisationen weltweit setzen deshalb genau an diesem Problem an – und versuchen zum Beispiel durch lokale Produktion von Monatsartikeln den Preis zu senken.
Kenia streicht Steuer
Auch in anderen Ländern wird seit einiger Zeit darüber diskutiert, wie eine Benachteiligung von Mädchen und Frauen während ihrer Tage vermieden werden kann. In Deutschland wurde zum Jahreswechsel 2020 die Mehrwertsteuer auf Binden und Tampons gesenkt – von 19 auf 7 Prozent.
Über hunderttausend Menschen hatten sich zuvor mit einer Petition dafür stark gemacht. Dabei ging es den Unterzeichnern nicht nur um den Preis, sondern auch um ein Umdenken in der Politik. Periode sei kein Luxus und dürfe deshalb auch nicht unter die sogenannte Luxussteuer fallen, heißt es in der Forderung.
Gerade für Frauen und Familien mit geringem Einkommen können auch wenige Euro für eine Packung Tampons und Slipeinlagen ein Problem darstellen. Im aktuellen Hartz-IV-Regelsatz sind beispielsweise rund 16 Euro für Gesundheitspflege – also Zahnbürste, Shampoo und Co – vorgesehen. Über zwei Euro für eine Packung Tampons schränken das Budget ein.
Auch in der Schweiz wird gegen die Besteuerung von Monatsartikeln demonstriert ( Archivbild von Juni 2019)
Mit der Steuersenkung war Deutschland keinesfalls Vorreiter. Kenia schaffte die Steuer auf Monatsartikel bereits 2011 komplett ab. Auch in Ländern wie Kanada, Australien und Indien fallen keine Steuern mehr an. In Frankreich, Spanien, Polen und Österreich wurde der Satz nach Protesten zumindest gesenkt.
„Für mich ist das nur ein erster Schritt zur Diskussion, die Produkte auch kostenlos zur Verfügung zu stellen“, sagt Maike Röttger zur Steuersenkung. Bis zur schottischen Lösung in allen Ländern dürfte es jedoch noch ein langer Weg sein.